Qualitativ-rekonstruktive Unterrichtsforschung

 

Dissertationsstudie (Goethe-Universität Frankfurt): 2012 – 2016
In der Studie wurde der Frage nachgegangen, wie sich die programmatischen Erwartungen an die Lernförderlichkeit in Schülerinteraktionen im Kontext der Jahrgangsmischung und der Inklusionsforderung empirisch basiert einschätzen lassen. Mithilfe der dokumentarischen Videointerpretation konnten aufgabenbezogene Schülerinteraktionen in jahrgangsübergreifenden Lerngruppen an einer Förderschule und an einer inklusiven Grundschule als Typen der Ko-Konstruktion, Instruktion und Konkurrenz in Dimensionen von Differenzkonstruktionen, Positionierungen und Teilhabe rekonstruiert werden. Teilhabe wurde dabei in einem performativen Verständnis in den Interaktionen verortet und in einer wissenssoziologischen Logik von einer formalen Ebene unterschieden, auf der sich Inklusion und Exklusion vor allem als Frage der richtigen Schulform darstellt. In dieser rekonstruktiven Logik wurde ein forschungsmethodisches Vorgehen entwickelt, das sowohl Lernprozesse als auch Dimensionen von Inklusionen und Exklusionen empirisch in den Blick nehmen kann und damit eine empirische Basis für die Reflexion normativ-programmatischer Entwürfe einer inklusionsorientierten Unterrichts- und Schulgestaltung liefert.

Kooperationsprojekt mit Prof. Dr. Ulrich Mehlem (Sprachwissenschaft / Grundschulpädagogik, Goethe-Universität Frankfurt): 2017-2019

In dieser Studie wurden offene Schreibaufgaben mit der Anlauttabelle, die von Schüler*innen in jahrgangsübergreifenden Lerngruppen im Anfangsunterricht interaktiv bearbeitet werden, aus einer fachdidaktischen und sozialwissenschaftlichen Perspektive bzgl. des Potentials für die selbstständige und interaktive Aufgabenaneignung in heterogenitätssensiblen Unterrichtsformaten analysiert. Der Forschungsgegenstand war die Passung von Aufgabenstruktur und implizitem Wissen der Schüler*innen, die sich aus den aufgabenbezogenen Interaktionen rekonstruieren lassen. Damit wurde erstens danach gefragt, wie die Qualität der Aufgabenstruktur auf Grundlage der zur Verfügung gestellten Dinge, insbesondere der Anlauttabelle und des ausgewählten Wortmaterials, aus einer fachlichen Perspektive zu bewerten ist. Zweitens standen das implizite Wissen der Schüler*innen und die Passungsverhältnisse im Umgang mit diesen Aufgaben im Zentrum der Analyse. Und drittens wurde versucht, empirisch basiert zu beantworten, wie sich das Potential offener Schreibaufgaben für aufgabenbezogene Schülerinteraktionen im Horizont heterogenitätssensibler Unterrichtsformate einschätzen lässt. Datengrundlage dieser Teilstudie waren Videographien von aufgabenbezogenen Schülerinteraktionen von zumeist zwei Schüler*innen, die in dem Projekt „KeKS - Kinder erklären Kindern Sachverhalte“ (Hackbarth 2017) an einer inklusiven Grundschule und an einer Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Sprache erhoben wurden.

Kooperationsprojekt mit Prof.‘ Dr. Anja Müller (Deskriptive Sprachwissenschaft / Fachdidaktik Deutsch, Universität Mainz) und Johannes Ludwig (Doktorand, Goethe-Universität Frankfurt): 2018-2023

In dem interdisziplinären Forschungsprojekt werden sprachliche Lern- und Bildungsprozesse in unterrichtlichen Interaktionen an unterschiedlichen Schulformen aus einer fachdidaktischen und sozialwissenschaftlichen Perspektive erforscht. Mit der sozialwissenschaftlichen Erkenntnismethode der dokumentarischen Methode wird das gegenstandsbezogene, fachliche Wissen in den Interaktionen rekonstruiert. Diese wissenssoziologisch-praxeologische Perspektive auf das implizite Wissen von Lehrer*innen und Schüler*innen, das in den Interaktionen als solches hervorgebracht wird, macht den Modus der Vermittlung und Aneignung von fachlich relevanten Gegenständen der Rekonstruktion zugänglich. Berücksichtigt werden in diesen Analysen die medialen, materiellen und räumlichen Repräsentationen und Praktiken der Vermittlung und Aneignung von fachlichem Wissen im Unterricht. Das wird insbesondere durch den videobasierten Zugang ermöglicht. Um die Fachlichkeit dem Gegenstand angemessen zu beschreiben, werden die dokumentarischen Videointerpretationen des Unterrichts mit sprachwissenschaftlichen Diskursanalysen konfrontiert. Für das Datensample werden unterschiedliche Schulen, Schulstufen und -formen der Primar- und Sekundarstufe ausgewählt, die mit der Fokussierung eines vergleichbaren Unterrichtsgegenstandes, hier dem Grammatikunterricht, das Ziel verfolgen, eine empirisch gesättigte Theoriebildung für einen heterogenitätssensiblen Fachunterricht zu generieren.